Die Historie des Jahrhunderte alten Herzhorner Kringelmarktes | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Die meisten Menschen in Herzhorn und Umgebung wissen natürlich, worum es beim Kringelmarkt geht. Aber damit auch alle Neuzugezogenen erfahren, was es mit dem berühmt-berüchtigten Dorffest auf sich hat, hier ein kleiner geschichtlicher Rückblick, der bis ins Jahr 1866 zurückreicht und außerdem die Frage beantwortet, was es mit dem so genannten Kringelverdrehen auf sich hat.

Die Historie des Jahrhunderte 
alten Herzhorner Kringelmarktes

Im Mai 1866 wurde der Markt in Herzhorn erstmals von Paul Friedrich August Janssen – dem Wirt der Linde erwähnt. Damals hieß er noch „Pullwichelmarkt“, weil er auf dem Fußweg am Deich abgehalten wurde, der von Weidenbäumen gesäumt wurde – den plattdeutsch so genannten „Pullwicheln“. Auf dem Markt boten viele Handwerker ihre Waren an. Vor allem die wasserdichten, aus Schweinsblasen gefertigten, Stiefel der Barmstedter Schuhmacher waren überaus gefragt. Schließlich waren sie perfekt für den häufig nassen, matschigen Marschboden geeignet. Früher durften die Mägde und Knechte auswählen, ob sie den Kollmarer Markt oder das Herzhorner Fest besuchen wollten. Aber die meisten von ihnen gaben dem zweiten Dorffest den Vorrang. Denn hier fand am Montagabend auch der Markt-Ball statt, auf dem manch einer der jungen Frauen und Männer eine Partnerin oder einen Partner fürs Leben fanden. Der Montags-Termin nach dem kirchlichen Sonntag Jakobi am 25. Juli ist auch heute geblieben, aber nachdem der historische Pullwichelmarkt auf den Herzhorner Marktplatz verlegt wurde, wurde das Fest in ‚Kringelmarkt‘ umbenannt. Was sich dahinter verbirgt? Nun – ein Vorfahre des Bäckermeisters Hans Peters kam auf die Idee, Weißbrotkringel zu backen und per Losrad zu verdrehen. Doch zurück zu Hans Peters (I), der eigentlich gelernter Tischlermeister war, dann aber eine über 100-jährige Familien-Dynastie im früher so genannten „Haus bei der Friedens-Eiche“ einläutete.

Das Geschäft am Markt Nr. 1 hatte vorher bereits diverse Vorbesitzer, die in unterschiedlichsten Berufen tätig waren. So arbeitete dort eine Art Chirurg für Wundbehandlung, Zähneziehen sowie Hühneraugen- und Warzenschneiden. Ein anderer hatte sich als Gewürzhändler, Tabakspinner und Betreiber von Kolonialwaren etabliert.

Als der aus Kiebitzreihe stammende Hans Peters die Herzhornerin Margaretha Spliedt heiratete, führte das Ehepaar den Gewürzhandel am Markt 1 in Herzhorn weiter. Erst als ihr Sohn Johannes das Geschäft 1881 übernahm und eine vierwöchige Bäckerlehre mit anschließender Meisterprüfung absolvierte, wurde damit der Grundstein für die Bäckerei gelegt. Johannes Peters erlangte mit seinen ersten Brotback-Versuchen immer mehr Zuspruch bei seinen Kunden, so dass er sich auch mit der Herstellung von Kuchen und Hefegebäck versuchte. Sein ‚Eiermaan‘ – aus Mehl, Milch, Eiern, Korinthen, Rosinen und sehr viel Butter – wurde zum Beispiel zum gefragten ‚Beerdigungskuchen‘ für den Leichenschmaus.

In der Bäckerei von Johannes Peters wurde später auch das Geheim-Rezept für den ersten ‚Herzhorner Kringel‘ kreiert, der auf dem Kringelmarkt am Montag nach Jakobi am Losrad ‚verdreht‘ wurde. Johannes Peters bot bald auch die ersten Brötchen an. Doch als er 1904 starb, war sein 1888 geborener Sohn Hans (II) noch zu jung, um die Bäckerei seines Vaters zu übernehmen. Stattdessen ging er zunächst in Kollmar in die Lehre und absolvierte danach seinen Militärdienst. Als er im Anschluss zurückkehrte, wurde er von seiner Mutter Margaretha als Geselle eingestellt und kaufte 1919 von ihr das Geschäft für 20 000 Mark ab.

Der geschäftstüchtige junge Mann erweiterte seinen Betrieb mit neuen Backöfen und Teigknet-Maschinen, und auch seine Kundschaft vergrößerte sich zunehmend, so dass der emsige Hans Peters (II) weitere Gesellen und Lehrlinge einstellen konnte. Außerdem machte er 1928 den Führerschein und konnte so per Automobil seine Waren transportieren. Wobei auch der Pferde-Verkaufswagen weiterhin die begehrten Herzhorner Backwaren auslieferte.

Im Jahre 1945 wurde der Betrieb in schweren Zeiten auf die vierte Generation übertragen – an Hans Peters (III), der das Ladengeschäft 1962 erweiterte und einen damals sehr modernen Selbstbedienungsladen einrichtete. So konnte er mit seiner Familie und den Angestellten im Jahre 1964 das 100-jährige Betriebsjubiläum und eine über vier Generationen überdauernde Tradition feiern.

1981 übergab Hans Peters (III) das Geschäft dann an seinen Gesellen Reimer Nagel, der es bis 2001 führte. Von nun an führte der Enkel von Hans Peters (III), der Bäckermeister Willi Lehmann, 1994 die Tradition der Familie fort. Er betrieb lange Zeit erfolgreich die Bäckerei und den kleinen Lebensmittelladen und managte zusammen mit seiner Frau Andrea und der gesamten Familie den Kringelmarkt. Leider war er jedoch nach einem zweijährigen Aussetzen des Kringelmarktes aufgrund der Corona-Pandemie und nach einem schweren Sturz im April 2022 dazu gezwungen, Geschäft und Bäckerei aufzugeben. Auch der Kringelmarkt schien für immer gestorben zu sein.

Doch der Anfang des Jahres 2023 gegründete Verein „Wir für Herzhorn“ machte es sich zum Anliegen, das alte Dorffest wieder aufleben zu lassen und auch andere Events zu organisieren, damit Jung und Alt sowie Neu- und Altbürger zusammenkommen, sich austauschen und einander kennenlernen. Und so wurde der Kringelmarkt zum Glück gerettet, vom Verein auf neue Beine gestellt und feiert im nächsten Jahr sein 160. Bestehen.

Übrigens ein Tipp für alle, die es noch nicht wissen: Es lohnt sich, am Montag, 28. Juli bereits um 14 Uhr dabei zu sein und sein Losrad-Glück zu versuchen, um einen der heißbegehrten Kringel kostenlos zu ergattern. Ansonsten besteht aber auch die Möglichkeit, sich beim Verein unter email: https://www.herzhorn.com/ und dem dann kurz vorm Termin angegebenen Link einen oder mehrere Hefekringel vorzubestellen und am Markttag mit der Bestell-Nummer abzuholen.

Weitere Infos zum Chronikverein Herzhorn

Wer Interesse an der Geschichte des Dorfes und der Umgebung hat, kann Kontakt zum Chronikverein Herzhorn aufnehmen. Dieser hat auch die vier lesenswerten Bände „Mosaiksteine – Zur Geschichte in den Gemeinden Herzhorn und Engelbrechtsche Wildnis“ herausgebracht, aus denen auch die hier verwendeten Fotos und Hintergründe stammen. Der Verein organisiert zudem Aus- und Besichtigungsfahrten in Schleswig-Holstein, heimatbezogene Vorträge, plattdeutsche Lesungen und Betriebsbesichtigungen in der Umgebung. Ansprechpartner und 1. Vorsitzender ist Kay Blohm, zu erreichen unter Email: blohm.kay@gmail.com.

Informationen zum Chronik- und Heimatverein